Blog N°26
FOREVER 36
„QUASI EINE LIEBESERKLÄRUNG“
Wir schreiben das lausige Jahr 1977, als ich, bei ebenso vorherrschender Winterkälte, von der Belegschaft des schon seiner Zeit berühmt berüchtigten SOUND, der schlechthin besten Diskothek (EVER), angehalten wurde meinen Status zu legalisieren.
Denn als 13 jähriges Bübchen die Nächte dort im SOUND abzuhängen war nur das Eine, aber noch etwas ganz Anderes prägte jenen Umstand, weil natürlich dort ständig Bullen angeschissen kamen, auf der Suche nach Trebekids oder sonstigem Scheiß, und ich inzwischen auch schon eine ganze Weile alleine unterwegs war, weit, weit weg, abgehauen aus der Sicherheit meines damals verhassten Elternhauses.
Als annehmbaren Kompromiss, denn zurück nachhause oder in ein Heim kam für mich gar nicht in Frage, wurde mir somit vorgeschlagen in eines der besetzten Häuser zu ziehen. Ich hatte keine Spur einer Ahnung was das heißen sollte, jedoch bedeutete es für mich, weiter „alleine“ bestimmen zu können und den Bullenstress loszuwerden.
Die ersten beiden Häuser, die in den Siebzigern in West-Berlin besetzt wurden, waren zuerst das Georg-von-Rauch-Haus und kurz darauf das Tommy-Weissbecker-Haus. Beide Traditionshäuser existieren bis Heute, und da ich schon als kleiner Pups ein begeisterter Kiffer war, fiel mir auch die Wahl für das Rauch-Haus überhaupt nicht schwer. Fand ich eher zwingend logisch sogar. Aber Fuck. Das war eine derart und gänzlich andere neue Welt, die mich dort erwartete. Ich weiß noch genau, wie es sich zwischen den 50 Irren anfühlte, als ich dort zum allerersten Mal aufschlug, abends zur gemeinsamen Essenszeit. Doch wurde ich ganz schnell ein begeisterter Anhänger von Allem.
Politisch entschied ich mich direkt für das A im Kreis. Demos. Schwarzer Block. Bullen klatschen. Allgemeine Randale. Gesellige Kifferrunden und die Freiheit der freien Entscheidung, wie sie hier einem verpeilten Dreizehnjährigen zugestanden wurde, war nicht nur einfach beispiellos, sondern traf meinen Nerv so perfekt, sodass ich geradewegs bis 42 voll Wilder Junge blieb.
Walter vom „Ele“ am Heinrichplatz war jede Nacht unsere Anlaufstelle für Biereinkäufe. Überhaupt war der Ele (Zum Elefanten) eine der ersten Kneipen, in der wir willkommen waren. Denn wir sind anfangs ganz klar Eindringlinge gewesen. Der überwiegend in Kreuzberg ansässige Arbeiteranteil beäugte uns misstrauisch. Aber es gab nie Stress. Irgendwann gewöhnte man sich einfach aneinander.
Der Mariannenplatz war noch ein plumper Grashügel mit Bäumen hier und da. Am Heinrichplatz gab es den, oder einen der ersten Döner. Kotti war noch kein Junkietreffpunkt. Mariannen/Ecke Skalitzer gab es statt eines spritzenverseuchten Miniparks noch einen Schrottplatz. Und da ich nun auch wieder polizeilich gemeldet war, am Mariannenplatz 1a, in 1000 Berlin 36, durfte ich die Nächte auch wieder sorglos im SOUND durchfeiern.
Das Leben fing an super zu werden. Meine Laufbahn als durchtriebener Hallodri nahm seinen Anfang und ich begann mich unsterblich zu verlieben. In mein SO-36.
In mein Kreuzberg. Kreuzberg 61 dagegen war noch nie Kreuzberg. Redet ein Berliner von Kreuzberg, meint er immer Kreuzberg 36. War so und wird auch sicher so bleiben. Trotz Veränderungen. Alles durchläuft einen starken Wandel. Aber die Liebe zu 36 bleibt bestehen.
Doch nicht nur mein Bezirk verändert sich unangemessen, sondern ebenso der einzelne Mensch, Tiere und Gesochse. So wurde aus familiären Gründen 2013 beschlossen, mein offizielles Alter auf 36 festzumachen. Was, wie ich finde, auch eine nette kleine Anspielung darauf sein könnte, dass ich einfach irgendwann „hängen“ geblieben bin, worin sich sicher so einige Einig sind.
Worauf ich am Ende nun hinaus will, sollte inzwischen eigentlich völlig klar sein, oder ...
Fickt Euch Ihr Spießer
For Ever 36 !!
©06.11.2016 by Ameise
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