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36.JAHRESTAG (m)EINER FLUCHT

Blog N°.33

 

 

36. TAG DER FLUCHT

 

HABE SO OFT GEFLUCHT, AUF FLUCHT,

SCHLIESSLICH WURDE ICH GESUCHT,

GALT AUCH EBENSO VERRUCHT,

WURDE ABER NUR ALS FADER SIEG VERBUCHT!

 

 

 

Genau am 30.06.1982, um 16:00 Uhr, kam fahrplangemäß der 19er Bus, ein großer Gelber, ein Doppeldecker der Ku’damm-Linie, der zwar auch in Kreuzberg endet, jedoch „nur“ in Kreuzberg 61, dass ist das Kreuzberg, dass nie jemand meint, wenn er irgendetwas über oder von Kreuzberg erzählt, denn dann ist immer unser Xberg gemeint, natürlich, SO-36, weshalb ich auch seiner Zeit am Wittenbergplatz ausstieg und runter zur U-Bahn bin, in die U-1, Richtung Schlesisches Tor, bis ich zentral am Kottbusser Tor gänzlich ausgestiegen bin und auch schon von einigen Leuten erwartet wurde. Denn mit einem davon, ein Kollege der ein paar Tage vorher Entlassen wurde und mit dem ich meine Verabredung für diesen Tag getroffen hatte. Der Empfangstrupp aus dunkel- bis schwarzschmutzigbunten Besetzer-Panx brachte mich stante pede in ein fast komplett Teilbesetztes Haus in der Adalbertstraße. Ach, herrlich, war das Nett mal wieder normale und ungesiebte Luft zu atmen. Den Fernseher einzuschalten, wann man will, auch wenn es hier, wo ich untergebracht war, keinen gab, aber das war auch voll Okay, dann eben einen Kiffen, ein kleines Tütchen rollen... Was(?)... es gibt kein Hasch und die Pflanzen auf dem Dach sind noch nicht so weit...?!

Hmm..., ich versuchte trotzdem mich zu freuen und diese blöden Gedanken, dass es ja im Knast noch besser war, ganz weit wegzudrücken. Mit Erfolg möchte ich meinen, weil aus der Anfangs erhofften einen Woche, dann letztlich doch 3 Jahre und 4 Wochen wurden, fast bis auf die Stunde genau.

 

NACHDEM DIE ANSTALTSLEITUNG MICH NUN SCHON DAZU AUFGEFORDERT HATTE, MUSSTE ICH AUCH AUF FLUCHT GEHEN – DASS GEBOT MIR DIE PURE LOGIK ... !!

 

WER KONNTE DENN AUCH AHNEN, WAS DASS FÜR DÄMLICHE PENNER DORT WAREN!

 

Für diejenigen, die das AmeisenBuch noch nicht gelesen haben, ein paar Worte zur Hintergrundgeschichte – aber auch den zahllosen Anderen könnte es perfekt zur Auffrischung gereichen, zumal an einem solchem Sommersonnenhitzetag, wie heute.

Grundlage war, dass ich in absehbarer Zeit 2 Jahre am Stück unter Haft in der JugStrA-Plötzensee, am Friedrich-Olbricht Damm 16, in Berlin-Siemensstadt. Ein verschissener abgefuckter alter Klinkerbau aus der Kaiserzeit. Erbaut von französischen Kriegsgefangenen und französischen Hugenotten, als einer der vielen roten Klinkerbauten in Berlin, der neuen Hauptstadt des gerade gegründeten Deutschen Reichs, im sogenannten Kreuzverband in den Siebzigern des neunzehnten Jahrhunderts, genau wie die sonst noch im Gebrauch befindlichen Ämter, Anstalten, Kirchen und so weiter. Dieser Bau in Siemensstadt bestand aus 5 Hafthäusern,, wovon Haus IV das sogenannte Maskenhaus war, wo Arrestanten und Kurzstrafer hauptsächlich untergebracht waren, und jedesmal bevor iner aus seiner Zelle geführt wurde, zum Arzt oder Gottesdienst, musste er eine Kapuze mit Sehschlitzen überziehen, damit es später Draußen zu keiner Denunziation kommen konnte, weil man sich dort gesehen hat und wiedererkannte. Dieser schmucke Laden hatte dann eben Ende der Siebzigern, vor fast 150 Jahren, und erwarb sich durch fixe Hinrichtungen und besonderer Härte bald schon den Titel: DAS BERÜHMT BERÜCHTIGTE ZUCHTHAUS PLÖTZENSEE...!

Zuchthaus, das Wort alleine schon, hat eine schauerliche Wirkung auf mich, so in der Richtung, Tötung von absolut allem, was dir je etwas bedeutet hat, was man natürlich draußen im „echten“ Leben auch durch Beziehungen erleben kann, jedoch ist es durch Knast her irgendwie Physischer, finde ich, und bei Zuchthaus fallen mir direkt beide Eier aus der Hose.

Wie auch immer, der Richtblock hinter Haus Iv, dessen Fundament noch deutlich sichtbar davon übrig war, als ich dort im Jugendknast verwahrt wurde, was im Verhältnis sicher nur verschärftes Jugendheim war, aber uns, und eben auch mir, vorkam wie das personifizierte Übel schlechthin.

 

Nun hatte ich seit mindestens 20 Monaten immer alles getan, um die Jungs dort alle schön auf Trab zu halten. Also die Bullen dort, den gemeinen Justizvollzugsbediensteten, also die Schließer, wobei die Bullen dort bei der Bezeichnung als Wärter anpisste. Jedenfalls war ich seit ewigen Monaten schon auf Anordnung der Anstaltsleitung Ohne Beschäftigung, als ich eines Tages zum Teilanstaltsleiter gerufen wurde. Denn ich hatte wilde Pläne, zu deren Umsetzung ich aber zunächst, als Freigänger, zwei Jahre draußen zur Privaten Kantschule gemusst hätte. Da man in Plötzensee nur einen Hauptschulabschluss nachholen konnte, ich aber mindestens Mittlere Reife gebraucht hätte, außerdem schon rund die Hälfte meiner 40 Monatigen Strafe verbüßt war, stellte ich irgendwann den Antrag für diese Maßnahme. Nun also beim Teilanstaltsleiter einen Termin zu haben, konnte eigentlich nur bedeuten, dass die Herren eine Entscheidung über meine Zukunft gefällt haben. Und so war es auch.

Mir wurde eröffnet, dass ich direkt in die Anstaltsschlosserei käme, und wenn ich dort den dreimonatigen Schweißerpass für E-Schweißen, oder Lichtbogenhandschweißen,  schaffte zu absolvieren, dann, ja dann könnte ich kurz darauf, nach den großen Ferien draußen zur Schule gehen – aber wenn nicht, dann müsste ich die gesamte Haftstrafe am Stück absitzen, und würde außer dem einen, in kürze geplanten begleiteten Ausgang, nie wieder Ausgang, Urlaub oder sonstiges erhalten, bis die 40 Monate um wären.

Schön und gut, war doch mal eine Ansage.

Der Meister, der über den anstaltsbekannten Totalverweigerer, genannt Ameise, sicher alles wusste, was es zu wissen gab, empfing mach dann auch entsprechend freundlich. Direkt dann am nächsten Tag, meinem 2. Arbeitstag in Spe, wurde ich aber schon nicht mehr mit zur Arbeit genommen, wegen der 2 Nasenringe, die meinen linken Nasenflügel zierten. Kurz und gut, nach über einer Woche hin und her, inklusive weiterem Besuch bei der Teilanstaltsleitung, der ebenso nicht mehr als ein Augenrollen für des Meisters Begründung übrig hatte, nämlich, dass beim Schweißen eine Schweißperle vorne gegen das Schweißschild fliegen könnte und wohl ähnlich der Zauberkugel die Kennedy tötete, könnte diese dann vorne am Schild hochrollen, oben über die Kante, dann innen am Schild wieder runterrollen, bis sie sich auf den beiden Nasenringen festsetzen könnte und dabei die beiden Ringe zusammen schweißen würde, wodurch die Nasenringe dann nur noch mit einem Drahtschneider abzunehmen sein, was aus seiner Sicht ganz klar gegen jegliche Sicherheitsbestimmungen verstoße. Dem Mann wurde aus allen Instanzen Recht gegeben, die Ansagen von ganz Oben blieben bestehen, und unter Vermittlung der Anstaltsleitung, wurde dann mit dem Meister vereinbart, wenn ich mir auf dem anstehenden begleiteten Ausgang, wo ich 5 Stunden mit einem Bullen zusammen in den Grunewald zu Muttern durfte. So, wenn ich von diesem Ausgang zwei Stecker mitbringen würde, die ich dann anstatt der Ringe in die Nase stopfe, dann dürfte ich nach eineinhalb Wochen wieder zur Arbeit kommen. Zur symbolischen Vollendung wurde die Farce bis zum Handschlag mit dem Meister getrieben, ob der Einigung, wobei er mir allerdings zuzischelte, dass ich den Kurs niemals schaffen würde, da mir schon zuviel Zeit fehle. Mehr Gewicht kriegt dieser Umstand, wenn man weiß, dass dieser Knecht, der Meister der Anstaltsschlosserei auch der Prüfer war. Damit war sein Rumgezischel für mich nicht nur irgendeine zu vernachlässigende Drohung, sondern auf Sicher ein bindendes Versprechen. Wodurch selbstverständlich für mich die Kette ohne jede Chance angeschoben war, denn das nichtbestehen war ja immerhin an alle Folgevorhaben fest gekoppelt, wofür es durch das meisterliche Versprechen keine Gedanken mehr zu verschwenden gab, und ich hatte mich doch dabei schon längst bals wieder rausmarschieren sehen.

Na gut, neue Zustände, neue spontane Pläne. Somit musste ich also selbst für ein wenig Gerechtigkeit sorgen, denn das war ursprünglich eigentlich mein Reserveplan. Zuerst mal beim Begleiteten mich elegant irgendwie Absetzen, und dann baldigst zusehen, dass ich die Presse, vielleicht TAZ oder noch mehr dazu kriege, sich für meinen Fall zu interessieren und dann nach wahrscheinlich einer Woche wieder zurück.

Okay, es kam anders, so dass ich nach über drei Jahren als Vizefluchtkönig erst zurück nach Plötzensee kam, und nach Monaten, von dem Bullen, der damals die Begleitung machte, und dem ich abgebüxt war, mir verwundert steckte, dass er gar nicht verstünde warum ich Blödmann abgehauen wäre, wo doch hinter den Kulissen von Gruppenleiter bis Anstaltsleitung längst klar gewesen wäre, geschissen auf den Schweißerpass, und dass ich kurz darauf, nach dem Ausgang, als Freigänger dann jeden Tag rauskommen solllte.

 

Keine Ahnung, aber denkt außer mir noch irgendjemand, dass ich davon vielleicht auch hätte informiert werden sollen, weil ich sonst, auch ohne viel empathische Fähigkeiten durchaus leicht Nachvollziehbar, wie ich immer noch finde, ihr beamteten Anstaltsärsche. Aber da war ich wohl einfach nur ein für die Gesamtstatistik zu vernachlässigender Einzelfall. Sehr, sehr Tragisch, aber nun ist es eben wie es IST.

(Woher kommt mir das nur bekannt vor;)

 

TROTZDEM - 36 JAHRE

IHR VERFICKTES SCHLIESSERGESINDEL ...

 

 

 

 

 

©30.Juni 2018 by Ameise